Marei Schachschneider, Chiropraktik Campus

Quelle/Fotograf: Chiropraktik Campus

Eine chiropraktische Premiere: Zum ersten Mal wurde vom 11.–13. März 2016 die Rubicon Conference abgehalten. Ein internationaler Kongress für vitalistische Chiropraktik in London – praktisch vor der eigenen Haustür, da für solche Ereignisse gewöhnlich eher eine Reise nach Nordamerika ansteht.

Der Rubikon, ein kleiner Fluss in Norditalien und Schauplatz geschichtsträchtiger Ereignisse in der römischen Geschichte, dient als Namensgeber für die dahinter stehende Gruppe vitalistischer Chiropraktoren und Institutionen. „Den Rubikon zu überschreiten“, bedeutet noch heute, eine unwiderrufliche, schicksalhafte Entscheidung zu treffen.

Die Vision der Rubicongroup ist, dass Menschen weltweit Zugang zu chiropraktischer Betreuung haben – für mehr Gesundheit, Wohlbefinden und zur Entfaltung ihres persönlichen Potenzials. Die Säulen der Chiropraktik werden dabei bewahrend, aber auch modern definiert: Eine Philosophie, die im Neo-Vitalismus verwurzelt ist und die traditionellen Prinzipien anerkennt. Eine Wissenschaft, die auf einem neurologischen Modell der Subluxation basiert. Und eine darauf aufbauende eigenständige Methode, die ohne Medikamente und operative Eingriffe auskommt.

Das Programm war entsprechend vollgepackt mit vielen spannenden, teils anspruchsvollen, herausfordernden Updates aus Neurowissenschaften und Philosophie. Dazwischen fanden sich aber auch Beiträge über die aktuelle Forschung zum menschlichen Mitgefühl oder zur Beschreibung der Lebenskraft aus quantenphysikalischer Sicht.

Zu den Highlights gehörten die Beiträge der neuseeländischen Chiropraktorin und Neurowissenschaftlerin Heidi Haavik, deren Forschungsergebnisse der letzten 15 Jahre weltweit Beachtung und Anerkennung finden und deren Begeisterung buchstäblich auf die Zuhörer übersprang. Die spektakulären dynamischen MRT-Bilder des Amerikaners Scott Rosa vor und nach Justierungen der oberen Halswirbelsäule ließen manchen vorübergehend den Atem anhalten. Aber auch ein Brendan Ozawa-de Silva, Psychologe an der LIFE-Universität, regte zum Nachdenken an. Er leitet ein Programm, in dem Studenten, Polizisten und Gefängnisinsassen gemeinsam Achtsamkeit und Mitgefühl üben. Das Ergebnis bei den inhaftierten Teilnehmern ist eine unglaubliche 0-prozentige Rückfallquote in die Kriminalität nach Entlassung – bei durchschnittlich 70 Prozent in der Vergleichsgruppe ohne Achtsamkeitstraining.

Meine Kernerkenntnisse:

  1. Wir sind weit darüber hinaus, unser Tun einzig und allein damit zu begründen, Druck von Spinalnerven zu nehmen. Tatsächlich beeinträchtigt eine Subluxation die Fähigkeit unseres Nervensystems, sensorische Informationen adäquat in motorische Antworten zu überführen, und verändert nachhaltig die Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet.
  1. Das Zeitalter der Hirnforschung hat Methoden und Wissen hervorgebracht, um Vorgänge im Nervensystem messbar und sichtbar zu machen. Neurowissenschaftler auf der ganzen Welt bestaunen die Effekte einer Justierung. Derzeit ist keine Methode bekannt, die derartige (positive) Veränderungen in der Hirnaktivität erzeugt.
  1. Praktische Kontrollstudien zeigen einen gewissen Placebo-Effekt nach einer Pseudo-Justierung – wie jede Methode, die mit persönlicher Zuwendung zu Patienten einhergeht. Aber nur (!) eine echte Justierung kann die Art und Weise, wie das Gehirn arbeitet, messbar verändern.
  1. Belege zur Wirksamkeit zeigen sich zunehmend bei der klinischen Anwendung – vor allem bei neurologischen Krankheitsbildern. Hier ist großer Forschungsbedarf. Chiropraktik wird in einer älter werdenden Gesellschaft bedeutsam und in der Prävention von Pflegebedürftigkeit eine große Rolle spielen. Erste Studien
  1. zeigen eine Verringerung des Sturzrisikos durch Chiropraktik bei älteren Menschen. Inwieweit Chiropraktik bei der Vorbeugung neurodegenerativer Erkrankungen helfen kann, bleibt abzuwarten. Erste Hinweise sind vielversprechend.

Unterm Strich: Trotz Anfällen von Konzentrationsschwäche bei solch einem gewaltigen Input und unphysiologischen Dauersitzens, das eine sofortige Justierung im Anschluss erforderte, war die Rubicon Conference insgesamt sehr lohnenswert und ich freue mich auf das nächste Jahr.

veröffentlicht im März 2016