Carsten Brinkpeter im Gespräch mit Chiropraktik Campus
Carsten Brinkpeter – seit diesem Jahr als FSST-Dozent bei Campus mit an Bord – über seine Motivation, die Hintergründe seiner chiropraktischen Tätigkeit und seine Leidenschaft für die Full-Spine-Specific-Techniken.
FSST ist bisher meine favorisierte Justierungstechnik innerhalb der Amerikanischen Chiropraktik, die Kunst des Justierens. Sie war mein Weg in diese Welt. Die erste Technik, die sich deutlich von den alten deutschen Manipulationen unterschied, die ich vielfach zwischen 1986 und 1989 während meiner Heilpraktiker-Ausbildung als chiropraktische Techniken kennengelernt habe. Mein Wegbereiter in die Welt der Amerikanischen Chiropraktik war ein Seminar bei Markus Habort vor rund 30 Jahren, das allererste der „Bremer Chiropraktik Seminare“. Markus hatte den DC Bernd Bush eingeladen, der natürlich schon damals in der Lage war, jeden Wirbel präzise einzeln zu justieren, mit ganz unterschiedlichen Techniken. Kein Vergleich zu den vielfach systemischen Methoden, die ich bis dahin gelernt hatte. Dieses Seminar war so etwas wie der Startschuss für mich. Ich erkannte, dass ich noch viel, viel zu lernen hatte, und stürzte mich voller Tatendrang in die für mich neue Philosophie.
Seit damals hat sich die Chiropraktik in Deutschland massiv weiterentwickelt. Das spiegelt sich auch in der FSST, die von einer anfangs noch eher mechanistischen Methode zu einem ganzheitlichen, vitalistischen Ansatz wurde. Hier geht es längst nicht mehr vor allem darum, einen Knochen von a nach b zu verschieben. Heute ist das Ziel viel komplexer: Als Chiropraktiker stellst du die Beweglichkeit im Gelenk wieder her, die im Kontext der Subluxation verloren gegangen ist. „Tone“, also die Spannung im Gewebe, gleicht sich aus. Das ist eine riesengroße Änderung und spiegelt im Grunde das, was die moderne Chiropraktik ausmacht. Auch die ganze Philosophie, die dahintersteckt. So etwa, dass du als Chiropraktiker etwas initiierst, Störungen aus dem nervalen Bereich nimmst, für Energie und Informationsfluss sorgst, indem du Subluxationen löst. Sprich: Ich als Chiropraktiker kann nichts heilen, sondern es geht darum, das Innate – also die angeborene, körpereigene Intelligenz im Körper meines Patienten – möglichst ohne Nervenstörungen arbeiten kann, sodass dieser möglichst optimal funktioniert und sich selbst regeneriert. Dazu gehört die Intention, also dass du als Chiropraktiker eine ganz klare Aussage in dir hast, was du machen und erreichen willst, und vor allem die völlige Fokussierung auf deinen Patienten während der Analyse und Justierung.
Um vitalistische Chiropraktik langfristig erfolgreich in der täglichen Praxis einzusetzen, gilt es, entsprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen: Zum Beispiel, indem du in der Praxis für einen entsprechenden Flow sorgst. Du versuchst nicht mehr, einen Patienten pro halber Stunde zu „behandeln“, sondern du bestellst die Menschen terminlich dicht zueinander ein, um unterbrechungsfrei justieren zu können, sodass deine eigene Intuition, dein eigenes Innate, mitarbeiten kann. Gut geeignet dafür ist ein Open Adjustment, also ein größerer Justierraum mit mehreren Liegen – je nach Vorliebe auch als komplett- oder semi-offener Bereich. Hier wird wenig gesprochen, was es dir erleichtert, die volle Konzentration zu halten. Diese Art zu arbeiten lässt dich deutlich mehr Patienten pro Stunde justieren. Deshalb achten wir heute schon in der Ausbildung darauf, ergonomisch zu arbeiten, natürliche Bewegungsabläufe unseres Körpers für die Justierung zu nutzen und die Haltung des Behandlers zu optimieren. Dabei kommt uns entgegen, dass die Techniken in den letzten Jahren deutlich flüssiger geworden sind und nochmal viel weniger Kraft brauchen – was natürlich auch für den Patienten angenehmer ist.
Insgesamt bringe ich als Dozent gut 30 Jahre Praxiserfahrung, verbunden mit ständiger Weiterbildung, in die FSST-Seminare bei Chiropraktik Campus mit ein. Da geht es dann zum Beispiel auch um körperliche Übungen, um dich für die Justierungen fit zu machen, eine gewisse Geschmeidigkeit in der Bewegung zu erreichen. Auch Meditation bzw. bestimmte Atemtechniken sind gute Möglichkeiten, den eigenen Focus zu optimieren und dich besser konzentrieren und in den Patienten hineinfühlen zu können. Etwas, das bei mir längst zu meinem Morning Ritual gehört und ich daher den Teilnehmenden absolut empfehle.
Dann, ganz wichtig: Ein Patient sollte ausschließlich in „ease“ justiert werden, also in dem Moment, wenn er sich löst, wenn er sozusagen „bereit“ ist. Solange er Widerstand oder Anspannung zeigt, gilt es abzuwarten. Erst in dieses Gefühl des „Lösens“ gibst du deinen Impuls. Die optimale Lagerung des Patienten, saubere „flüssige“ Technik und sich entsprechend einfühlen zu können, sind dafür Grundvoraussetzungen. All das üben wir in den FSST-Seminaren, sodass es hier um weit mehr geht als nur reine Technik.
Für mich sieht es so aus, dass sich die moderne Chiropraktik vor allem in Deutschland und Europa in den kommenden Jahren weiter in die vitalistische Richtung entwickeln wird. Sie wird noch gezielter und sanfter in der Ausführung werden – sowohl für die Patienten als auch für die Justierenden. Dabei wird die Wirksamkeit für die breite Bevölkerung aus meiner Sicht immer deutlicher.
Diese Entwicklung bewusst mitzumachen, als Mensch und Chiropraktiker zu wachsen und die Erkenntnisse in die chiropraktische Ausbildung in Deutschland einfließen zu lassen, ist mein persönliches Ziel. Meine Vorbilder sind dabei Chiropraktiker wie Arno Burnier, Pat Mc und Aaron Morris oder Brett Jones, Tim Young und viele weitere, von denen ich lernen durfte. Sie alle haben sozusagen ihre eigene Mischung an Techniken kreiert, sie weiterentwickelt und etwas Eigenes daraus gemacht.
Für mich ist die Mitarbeit bei Chiropraktik Campus eine tolle Option, meiner Profession und der nächsten Chiro-Generation etwas zurückzugeben. Im Prinzip das Gleiche, was Markus Harbort damals für mich getan hat, denn ohne ihn wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Und dann auch noch zusammen mit seinem Sohn Frederik Harbort, der inzwischen selbst Chiropraktik studiert hat, in der täglichen Praxis justiert und ein echtes Talent zum Unterrichten hat. Daher finde ich es genial, dass ich bei Campus die Möglichkeit habe, nach zehn Jahren „Unterbrechung“ wieder in die Lehre einzusteigen, und zwar in einem Rahmen, der mir zeitlich und organisatorisch neben Praxis, Weiterbildung und Familie möglich ist. Es bringt mich auch dazu, beständig in der Theorie zu bleiben, mich immer wieder zu reflektieren – und damit zu wachsen.
Quelle/Fotograf: Carsten Brinkpeter
Carsten Brinkpeter, MSc, ist als FSST-Dozent bei Chiropraktik Campus dabei.
Über Carsten Brinkpeter
Nachdem Carsten 1989 seine dreijährige Ausbildung zum Heilpraktiker mit integriertem Chiropraktikunterricht abschloss, führte ihn sein Weg Anfang der 1990er Jahre in die Amerikanische Chiropraktik. Startschuss war ein Seminar bei Markus Harbort, der den amerikanischen DC Bernd Bush eingeladen hatte. Es folgten viele weitere Kurse und Seminare, auch im Ausland, bis hin zum Master-Studium von Chiropraktik Campus, das Carsten 2017 mit der ersten Studiengruppe erfolgreich abschloss. Parallel zum ersten Studienjahr besuchte Carsten das einjährige Business Mastery von Mark Hudson in Spanien, bei dem es darum ging, die Praxisabläufe im Sinne einer vitalistischen Ausrichtung zu organisieren. Auch als Dozent verfügt Carsten über langjährige Erfahrung. Zwischen 1992 und 2009 unterrichtete er Chiropraktik erst an Heilpraktikerschulen, später in eigenen Fortbildungsveranstaltungen. Ohne Dozenten- und Orga-Team im Hintergrund, dazu mit eigener Chiropraxis und später auch als zweifacher Vater stieg er 2009 aus zeitlichen Gründen vorerst aus der Dozententätigkeit aus. Bei Chiropraktik Campus ergänzt Carsten nun seit 2019 das Dozententeam und sorgt gemeinsam mit seinen Chiropraktik-Kollegen dafür, dass die FSST-Seminare weiterhin State of the Art bleiben.
Zusatzfrage: Carsten, was sagen deine Patienten eigentlich zu FSST?
Häufig ist es so, dass neue Patienten am Anfang ein wenig scheu sind, was manuelle Techniken angeht – insbesondere, wenn die vielleicht sogar noch ein „Knacken“ erzeugen. Daher mache ich es gerne so, dass ich neuen Patienten beim Healthtalk eine Behandlung an der HWS zeige. Einige schauen erstmal ein wenig irritiert, sehen aber dann: Dem Justierten geht’s gut, er sagt, er fühle sich super, es sei angenehm gewesen und z.B. Bewegungseinschränkungen hätten sich vermindert. Spätestens wenn ich dann die erste Technik bei ihnen angewendet habe, merken sie es selbst: Es tut nicht weh, es ist nicht furchtbar unangenehm. Mit der Zeit dreht sich das sogar um: Die Patienten kommen, sind gestresst, haben ihre Verspannungen, können ihren Kopf nicht richtig drehen etc. und freuen sich auf den Moment der Justierung, auf den Release, wo es sich löst.
veröffentlicht im Juni 2019