Chiropraktik Campus im Gespräch mit Dr. Paul Ahearn, DC

Chiropraktor Paul Ahearn als Dozent zu Gast bei Chiropraktik Campus

Quelle/Fotograf: Chiropraktik Campus

DC Paul Ahearn war im Rahmen des Master-Moduls „Philosophie und Geschichte“ am 26. März als Dozent zu Gast bei Chiropraktik Campus. Danach hatten wir noch Zeit für ein kurzes Interview. Dabei ging es neben seinem Steckenpferd „Praxismanagement“ auch um seine Vision für die Amerikanische Chiropraktik.

Chiropraktik Campus:Du sagtest, du würdest dir wünschen, dass Chiropraktiker in 50 Jahren die erste Anlaufadresse bei gesundheitlichen Problemen sind. Wie, glaubst du, könnte dieses Ziel erreicht werden?

Chiropraktik-Studium bei Chiropraktik Campus

Quelle/Fotograf: Chiropraktik Campus

Paul Ahearn:Ich glaube nicht, dass es nur eine richtige Antwort oder einen Weg dorthin geben kann. Aus meiner Sicht müssten wir Chiropraktiker alle wesentlich koordinierter zusammenarbeiten. Wir sind zwar noch nicht so viele in Deutschland, werden aber immer mehr. Insbesondere deswegen geht es mir um Zusammenhalt, Austausch und Qualitätssicherung. Unser Tätigkeitsfeld verzeichnet ein exponentielles Wachstum, allerdings fehlt die zentrale Organisation – sowohl der Chiropraktiker selbst als auch ihrer Ausbildung. Genau darum sind Schulen wie Chiropraktik Campus so wichtig. Zum einen, um die Qualität und Standardisierung der Aus- und Weiterbildung zu sichern und diese auch international zu repräsentieren, zum anderen aber auch, um uns Chiropraktoren einen Raum zu bieten, in dem wir uns austauschen und unterstützen können. Auf dieser Basis können wir uns auf dem Gesundheitsmarkt weiter etablieren.

Chiropraktik Campus: Wie war es denn heute für dich als Dozent bei Chiropraktik Campus?

Paul Ahearn: Für mich war dieses achtstündige Modul eine komplett neue Erfahrung. Klar, in meiner Praxis halte ich wöchentlich Vorträge. Auf den heutigen Tag habe ich mich aber sehr lange und intensiv vorbereitet – vor allem, weil ich mir eine solche Chance schon lange gewünscht habe. Ich wollte das Thema „Praxismanagement“ von allen Seiten beleuchten und meine persönlichen Erfahrungen mit einbringen. Durch die rasante Entwicklung mussten wir in der Praxis immer wieder improvisieren und nachjustieren und auch bei mir läuft nicht immer alles perfekt. Mir ist es aber enorm wichtig, aus Fehlern zu lernen und mich bzw. die Praxis gemeinsam mit meinem Team weiterzuentwickeln. Ohne meine Leute wäre auch die Präsentation heute nicht möglich gewesen. Genau das wollte ich auch vermitteln – wenn die Studierenden einige Stolpersteine umgehen können, über die ich sozusagen schon für sie gestrauchelt bin, umso besser.

Chiropraktik Campus: Was ist dir bei deinem Team besonders wichtig?

Paul Ahearn: Mein Hauptauswahlkriterium ist Offenheit gegenüber der Chiropraktik und auch der Wille zu lernen – der Rest entwickelt sich dann von ganz allein. Früher oder später merkt man einfach, dass man eine Praxis nicht ganz allein führen kann. Deswegen braucht man zuverlässige und verantwortungsvolle Mitarbeiter, die einen unterstützen und auch wichtige Aufgaben oder -bereiche übernehmen. Wenn sich jeder auf sein „Kerngeschäft“ konzentrieren kann, funktioniert eine Praxis aus meiner Erfahrung heraus am besten. Allerdings muss man dafür auch loslassen können – also Verantwortung und Aufgaben abgeben. Ich selbst bezeichne mich ganz gerne als „people‘s-person“. Damit meine ich, dass mein Gespür für Mitmenschen und natürlich auch meine jahrelange Erfahrung mir ganz gut verraten, was entweder z.B. meine Mitarbeiter von mir oder auch meine Patienten vom Team brauchen. Daher habe ich Stück für Stück mehr Verantwortung abgegeben. Zum einen entlastet mich das sehr und zum anderen können Mitarbeiter nur dann engagiert und motiviert sein, wenn sie die Chance haben, Dinge aktiv mitzugestalten oder auch zu verändern, und dabei die entsprechende Verantwortung tragen. Seit ich z.B. die Team-Meetings von meinen Mitarbeitern organisieren und planen lasse, sind sie viel produktiver und ergebnisorientierter. Und obwohl ich eigentlich kein analytischer Typ bin, quantifiziere ich praktisch alles, was sich darstellen lässt. Mit den entstehenden Statistiken kann ich meine Vermutungen meist bestätigen und bekomme ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit. Es ist natürlich schön, Dinge spüren oder aus dem Bauch heraus handeln zu können. Wenn man das allerdings seinen Mitarbeiten oder z.B. auch potenziellen Partnern erklären möchte, ist es immer gut, seine Argumente auch mit Zahlen, Daten und Fakten untermauern zu können.

Chiropraktik Campus:Wie bist du denn dort hingekommen, wo du heute bist?

Pauls Ahearn: Ich habe in den USA einen für Chiropraktiker klassischen Ausbildungsweg genommen. Nach meinem Abschluss am Brooklyn College folgten vier Jahre Chiropraktik-Sudium an der „Life-University“ in Atlanta, Georgia. Mein Doktordiplom (DC) erlangte ich im Jahr 2001. Eine meiner großen Inspirationen war mein damaliger SOT-Professor. Dank ihm war die Chiropraktik für mich nicht mehr so abstrakt und seine Technik-Affinität hat total auf mich abgefärbt. Einen richtigen Schub bekam ich dann nochmal bei der „Chiro Europe“ 2006. Ich verließ die Konferenz mit einem völlig neuen Selbstbewusstsein und einem neuen Verständnis. Seit diesem Zeitpunkt habe ich „The Big Idea“ komplett verinnerlicht und lebe dieses Motto auch in meiner Praxis aus.

Chiropraktik Campus: Was würdest du unseren Studenten und Azubis mit auf den Weg geben?

Paul Ahearn: Hört auf eure innere Stimme! Wir alle verfolgen natürlich das Ziel, so vielen Menschen wie möglich zu helfen. Daher übernimmt man sich ganz schnell mal. So ist es bei mir passiert und obwohl mein Körper mir schon eindeutig signalisierte, dass ich mal auf die Bremse treten sollte, hörte ich nicht auf ihn. Irgendwann ging es mir dann richtig schlecht und ich bin komplett ausgefallen. Was ich damit sagen möchte, ist: Lebt die Philosophie, die ihr auch euren Patienten ans Herz legt. Wenn es euch selbst nicht gut geht, dann könnt ihr auch niemand anderem helfen. Lasst euer Ego nicht die Entscheidungen für euch treffen! Bleibt offen und schaut über den Tellerrand hinaus, sucht euch ein gutes Team, gebt Verantwortung und Arbeit ab. Gutes Praxismanagement setzt auch immer gutes Selbstmanagement voraus. Wenn ihr in gutem Kontakt mit euch selbst bleibt, kommt der Rest meist von ganz alleine.

Chiropraktik Campus:Vielen Dank für deine inspirierenden Worte und vor allem natürlich dieses sehr lehrreiche und interessante Modul.

veröffentlicht im April 2018